Bildschirmzeit und Prokrastination: Unsere Familien und das Smartphone
Ein Newsletter über das akkubetriebene Familienmitglied
Unser SAND-Status seit der letzten Ausgabe:
Notbetreuung: bei Franzi drei Tage wegen verdienter Teamtage plus verkürzte Stunden dank des unverdienten hohen Krankenstands. Bei Lisa keine – nur heute ist früher Schluss.
Nervenzusammenbrüche: keiner, denn Franzi hat einen neuen festen Job und wir haben ein kleingroßes Geheimnis, das wir bald lüften. Auch bei Lisa läuft, bis auf chaotische Nächte und entsprechenden Schlafentzug, alles sehr geordnet.
Sand Zuhause: kaum spürbar mit den dicken Wollsocken an den Füßen.
Eine der explosivsten Zutaten in dem ohnehin schon spicy soup Elternsein, ist das Smartphone. Kein Gegenstand birgt mehr Streitpotenzial und ist dabei so allgegenwärtig. Unsere Smartphones waren bei den Geburten dabei, haben uns über das Wochenbett hinweg begleitet und sind jetzt auf dem Spielplatz immer zur Hand. Ich, Lisa, bin auf jeden Fall zu viel am Handy, da mache ich mir gar keine Illusionen. Was ich dagegen tue? Projizieren natürlich, wie es ein verantwortungsvoller Elternteil es eben tut. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, wenn ich meinen Partner sehe, wie er Nachrichten am Smartphone liest, während er unser Baby füttert. Oder ich erinnere ihn in Diskussionen daran, dass er öfter mal das Handy beiseitelegen könnte, wenn er sich mit den Kindern beschäftigt. Dabei lasse ich mir gegenüber galant unter den Tisch fallen, dass auch ich etwa beim Stillen gerne vor mich hin scrolle. Merkt das Baby ja nicht, oder? Gekontert wird seinerseits entsprechend mit dem Hinweis, dass ich mich nicht anders verhalte und ehe man sich versieht, wird hochgerechnet. Wir verhalten uns da zumeist selbst wie die Kinder und kommen aus dem ewigen „aber du“-Kreislauf gar nicht mehr heraus.
Dabei finde ich, dass wir es gegenüber unseren Kindern eigentlich sogar ganz gut handhaben. Die Smartphones bleiben beim gemeinsamen Essen, beim Baden oder beim Abendritual in einem anderen Raum liegen. Auf dem Spielplatz die Zeit auch mal für Mails zu nutzen, sehe ich nicht so kritisch. Vielmehr fällt mir dagegen auf, dass wir als Paar abends nicht selten total erschöpft und überreizt nebeneinander auf der Couch liegen und jeder sich seine Portion Social Media und Nachrichten lesen abholt. Eigentlich ziemlich ernüchternd, oder? Tatsächlich ist die Abendroutine bei uns aber einfach so eine trubelige und laute Angelegenheit, dass man die Stille, wenn beide Kinder endlich schlafen, erst mal fassen muss.
Steigt die Bildschirmzeit eines Paares mit der Anzahl der Kinder?
Mein Partner und ich geben uns beide nicht viel, wenn es um die Bildschirmzeit geht. Bei meinem Freund ist vor allem die Arbeit der Grund, denn er hat gefühlt nie frei und wird permanent angerufen oder angemailt. Bei mir? Immer habe ich das Gefühl, dass ich etwas nachlesen, etwas recherchieren, etwas reservieren, kaufen oder fotografieren muss – weil ich denke, dass ich sonst nicht dazu kommen werde. Oder Angst habe, es zu vergessen. Außerdem lese ich E-Mails, beantworte WhatsApp-Nachrichten oder poste auf Instagram. Feste Bürozeiten kann ich gerade nicht einhalten, da sich Ettis Routinen gefühlt stündlich ändern. Meine schlimmste Angewohnheit ist, dass ich fast immer mindestens einen AirPod im Ohr habe. Das habe ich auch bei Polly gemacht, bis unsere Babysitterin mir damals erzählte, dass Polly sich auf dem Spielplatz weiße Steinchen ins Ohr gesteckt hat, ups. Ab da war Schluss. Bis Etti kam, Herrje!
Es ist unangenehm, sich selbst einzugestehen, wie viel Zeit man wirklich das Telefon in der Hand hat. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass ich niemals so viel Bildschirmzeit hatte wie mit zwei Kindern. Allein mein trotziges Wachbleiben und Scrollen machen locker eine Stunde auf dem Tacho aus. Wie ist das bei dir bzw. euch, Franzi? Und tut ihr etwas dagegen?
Und bei Familie Franzi so?
Ich bin ganz ehrlich: Bei uns ist es ähnlich. Wir haben schon immer viel mit unseren Handys rum gedaddelt und haben das auch als Eltern nicht aufgegeben. Es gab eine Zeit, da haben wir uns oft gegenseitig ermahnt, aber seit ein paar Monaten räumen wir uns die Zeit am Handy, wenn wir mal zu zweit auf dem Sofa sind oder alleine im Bad, als kleine Me-Time ein. Und das klappt sehr gut. Wir haben auch Tabu-Zonen mit dem Handy wie zum Beispiel am Esstisch oder im Bad. Am Wochenende oder auch im Urlaub lasse ich das Handy auch mal bewusst zu Hause und bin ganz offline unterwegs, das tut auch so gut.
Obwohl wir das Handy so oft verfluchen, ist es für mich auch ein Segen. Denn für mich ist es auch im Privaten und Beruflichen mein Büro, beim nächtlichen Stillen und der Wochenbettblase war es mein Kontakt zur Außenwelt und dem Nicht-Elternsein (OK und zugegeben auch das Mittel für nächtlichen Shoppinganfälle, von denen ich am nächsten Tag oft nichts mehr wusste). Es war auch eine große Hilfe beim Erledigen meiner To-dos im Bett, die ich tagsüber nicht geschafft habe. Wie etwa das Bestellen ein neues Fahrradschlosses oder der Kauf von Bahntickets für einen Ausflug mit meiner besten Freundin. Das setzt mich auch keineswegs unter Druck – im Gegenteil. Wenn alle schlafen und alles ruhig ist, ist das auch die Zeit nur für mich und dann wird das Handy auch mal zum kleinsten Kino der Welt.
Wie sieht es bei euch aus?
Communityfrage - eure und unsere Antworten der Woche
Auf Instagram haben wir in einer Umfrage zum Thema Bildschirmzeit und mediale Ablenkung während der Kinderbetreuung um eure Antworten gebeten. Und hier sind sie!
Danke, jetzt fühlen wir uns auf jeden Fall ein wenig mies. Allerdings muss man Bildschirmzeiten, Podcasts oder Kopfhörer im Ohr auch in Kontext setzen. Stilecht per Sprachnachricht haben wir zwei uns darüber ausgetauscht und hier und da kläglich versucht, Ehrenrettung zu betreiben. Aber hört selbst:
1. Wie hoch schätzt du deine tägliche Bildschirmzeit ein?
Lisa
Franzi
2. Hörst du Podcasts, wenn du alleine mit deinem bzw. deinen Kind(ern) bist?
Lisa
Franzi
2. Trägst du Kopfhörer, wenn du alleine mit deinem bzw. deinen Kind(ern) bist?
Franzi
Lisa
Gelesen, gelikt und nachgedacht …
Dieser Artikel der New York Times hat für ordentlich Gesprächsstoff gesorgt und auch uns sehr beschäftigt. Haben Eltern ein Recht darauf, Großeltern zu werden? Gibt es hier einen unausgesprochenen Generationenvertrag? Es ist eine soziale, emotionale und politische Debatte, die auch kräftig in den Kommentaren geführt wurde – und ein Thema, das fast schon einen eigenen Newsletter verdient hat, oder? Hier könnt ihr den ganzen Artikel lesen.
Wir lieben die (kostenlose!) Aufklärungsarbeit zu klassistischen Themen der Journalistin, Autorin und Podcasterin Isabelle Rogge. Darüber hinaus wird sie auch in diesem Jahr wieder einen Adventskalender für Alleinerziehende auf die Beine stellen – komplett in Eigenregie. Wir finden den Einsatz so toll und wichtig und legen euch daher sehr ans Herz, Isabelle zu folgen und ab Dezember täglich vorbeizuschauen. Kommentiert und teilt die Beiträge, damit diese Aktion mehr Reichweite und Sichtbarkeit erhält. Vielleicht kennt ihr auch Alleinerziehende Eltern, die sich über das ein oder andere Türchen sehr freuen würden.
Als Frau älter zu werden, galt lange als tabu. Was an sich natürlich schon absoluter Humbug ist, weil dagegen kann Mensch Weißgott nicht wirklich etwas tun. Frauen sollen sich aber das Altern, wenn möglich, nicht ansehen lassen (aber auch nicht zu viel, man muss da schon genau die goldene Mitte treffen optisch, ist klar). Außerdem wurde über Themen wie die Wechseljahre oder finanzielle Absicherung ungern gesprochen. Das ändert sich glücklicherweise – und das Buch „So alt war ich noch nie“ von Stephanie Hielscher leistet wiederum einen großen Beitrag. Hielscher trifft Frauen in der Mitte ihres Lebens und spricht offen und ehrlich über alles, was sie beschäftigt. Ein Buch, das Lust aufs Älterwerden macht, schreibt ihr Verlag rowohlt. Wir setzen unter diese Aussage unsere Unterschrift.
Wir sind riesige Fans der wichtigen Arbeit von Mareice Kaiser und Rebecca Maskos – und hatten sie bereits hier in unserem Newsletter zu Gast. Gemeinsam haben die beiden Autorinnen das Buch „Bist du behindert oder was“ geschrieben, das jetzt auch als Hörbuch verfügbar ist – auf allen gängigen Streamingplattformen, wie z. B. auf Spotify. Na, wir wissen, was wir als Nächstes hören, wenn wir mit Kopfhörer im Ohr mit den Kindern Spazierengehen.
Und zum Schluss noch etwas mit einem Augenzwinkern zu Kinderaccounts bei Instagram. Habt ihr schon einmal etwas von Sharenting gehört? Wir bis vor kurzem auch nicht, also schaut mal rein:
Advent, Advent – Die Schere brennt
Wir haben hier ausführlich darüber gesprochen, wie sehr das Smartphone inzwischen ein Teil unseres Familienlebens ist (ob wir das so richtig wollen oder nicht). Zeit, dass wir uns jetzt vom Bildschirm lösen und anpacken. So richtig analog und mit beiden Händen und kreativ. Bis die Bastelschere raucht! Nächsten Sonntag ist bereits der erste Advent *kreisch*. Wir konnten es auch kaum glauben, but here we are. Franzi hat, wie auch letztes Jahr, keinen Adventskalender für Pippa (das übernehmen die Großeltern und Pippas Tante mit einem gemeinsamen Kalender). Sie wird nur an den Adventssonntagen eine Überraschung schenken. Lisa hat das vergangenes Jahr ebenso gehandhabt und wird dieses Jahr Pollys Adventskalender mit Pixie Büchern und Badekugeln füllen, an Weihnachten gibt es eine Bastelschere mit Zacken, das war’s.
Um die Vorweihnachtszeit dafür zu nutzen, möglichst viel gemeinsame Zeit zu verbringen, so ganz ohne Handy, haben wir für euch auf unserem Pinterest-Board ein Füllhorn an Bastelideen zusammengestellt. Tendenz: wachsend. Vor allem Lisa hätte ja niemals gedacht, dass sie mal eine Pinterest-Mama wird, aber es ist wirklich eine Idee schöner als die andere. Und das beste: Für die meisten Projekte müsst ihr nicht wirklich viel oder gar nichts kaufen. Hat man fast alles daheim. Bis Weihnachten werden bei uns in jedem Fall die Klopapierrollen-Rollen gesammelt. Und bei euch?
Butter bei die Fische!
Das Wochenbett ist da, um sich zu erholen, das neue Leben mit dem Baby und als Familie kennenzulernen – und für Handygames und Streifzüge durch den App-Shop. Denn es ist doch so: Sofern alle wohlauf sind und das Ankommen sich mehr oder weniger zwischenfallsfrei gestaltet, hat man das erste und letzte Mal mit Kind wirklich viel Zeit, um sich durch die bescheuertsten Spiele zu testen. Für viel mehr war unser übermüdetes Gehirn an vielen Tagen auch nicht zu gebrauchen. Natürlich sind wir keine Gatekeeper und teilen unsere liebsten Apps und Games für mal mehr mal weniger anspruchsvollen Zeitvertreib und revenge bedtime procrastination.
Lisa: Ganz neu entdeckt, warum auch immer ich das nie wirklich wahrgenommen habe, habe ich die ARD Audiothek. So gut! Aktuell höre ich „22 Bahnen“ als Hörspiel-Buch und bin total begeistert. Leider schlafe ich immer dabei ein. Außerdem spiele ich sehr gerne das Spiel „Find the Cat”. Man sucht Katzen. In einem Bild. Das wars. Das reicht auch manchmal. Und mein alltime Favorit ist natürlich Sudoku. Das liebe ich auch analog. Ansonsten nutze ich gerade die Abendstunden im dunklen Zimmer immer gern für Favoriten-Listen bei Vestiaire Collective, Vinted und Co.
Franzi: Ich gebe es zu – ich gehe oft mit Coupons shoppen und sammle somit Punkte bei Payback. Deswegen sind meine Top-2 Apps auf dem Handy die DM- und Payback-App. Und wie schon oben erwähnt, wird am Abend oft mein Handy zum kleinsten Kino der Welt, wie zum Beispiel mit der RTL+-App für Trash-TV zum Abschalten. Gerade ist Love Island VIP mein Favorit.
In zwei Wochen lüften wir unser kleingroßes Geheimnis und Franzi zieht ein erstes Fazit nach den ersten vier Wochen zurück in der Festanstellung. Also HALLO 40 Stundenwoche!
Habt ihr Input, Fragen, Ideen? Schreibt uns auf Instagram oder per Mail an hello@allessand.de!
Wow danke für diese ausführliche Auseinandersetzung mit diesem heißen Thema! Ich persönlich merke auf jeden Fall, dass ich es für mich trennen muss, Kinderzeit/Bildschirm-Arbeitszeit, weil ich sonst bei keinem wirklich bin und dann fühle ich mich abends leer. Ist aber fast unmöglich und damit ein täglicher Struggle 🫣